Den eigenen Ausbilder anzeigen zu wollen, ist ein großer Schritt. Ist aber das Tischtuch zerschnitten und der Azubi im Recht, gibt es Mittel und Wege, eben jenes Recht auch durchzusetzen.
Dafür sollte der Azubi sich allerdings auch sicher sein, im Recht zu sein. Und wer nicht erst viel Geld für eine entsprechende Rechtsberatung in die Hand nehmen will, der sollte sich zunächst einmal mit den wichtigsten Gesetzen vertraut machen, die in einer Ausbildung greifen. Je mehr sich mögliche Vergehen, wegen derer ein Azubi den Ausbilder anzeigen will, in Grauzonen bewegen, desto unabdingbarer ist es aber natürlich, sich juristischen Beistand zu besorgen.
Vor genau diesem Hintergrund darf dieser Blogbeitrag auf keinen Fall als Rechtsberatung verstanden werden. Stattdessen wollen wir uns diese Woche die wichtigsten Gesetze in der Ausbildung anschauen und auf typische Situationen eingehen, in denen ein Azubi den Ausbilder anzeigen könnte. Wir gehen außerdem darauf ein, wo Auszubildende ihr Recht entsprechend durchsetzen können.
Den Ausbilder anzeigen: Liegen Verstöße gegen Gesetze vor?
Grundsätzlich ist es immer eine Art Ultima Ratio, den Ausbilder anzuzeigen. Zuvor sollte auch im Interesse des Azubis zunächst nach Möglichkeiten gesucht werden, um Probleme in der Ausbildung zu klären. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Beziehung zwischen Azubi und Ausbilder, bzw. Azubi und Betrieb kaum noch zu kitten sein wird, wenn die Anzeige erst einmal bei einer zuständigen IHK / HWK, einem Gewerbeaufsichtsamt oder gar einem Arbeitsgericht auf dem Tisch liegt.
Umso wichtiger ist es, diesen Schritt nur dann zu machen, wenn auch wirklich klare Gesetzesverstöße vorliegen. Klassische Probleme treten zumeist im Zusammenhang mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz auf. Aber auch ein BBiG Verstoß ist nicht gerade selten. Hierbei handelt es sich aber meistens um widrige Klauseln im Ausbildungsvertrag. Im solchen Fällen also den Ausbilder anzeigen zu wollen, wäre nicht nur ein besonders schweres Kaliber. Es wäre auch schlichtweg falsch, da der Ausbilder üblicherweise mit den Verträgen nichts zu tun hat.
Dennoch: Es gibt eine große Bandbreite an Gesetzen, in denen die betriebliche Ausbildung und alles, was dazugehört, klar geregelt sind. Und jeden Gesetzesverstoß kann ein Azubi entsprechend anzeigen. Egal, ob es sich dabei um das Arbeitszeitgesetz, das Bundesurlaubsgesetz oder auch die Ausbildungsverordnung handelt, die den Ausbildungsrahmenplan vorschreibt.
Bevor Sie den Ausbilder anzeigen, sollten Sie die wichtigsten Gesetzestexte lesen
Als Azubi sollten Sie sich daher stets vor einer möglichen Anzeige informieren, was in den jeweiligen Gesetzen überhaupt klar geregelt ist. Heißt also: Nur weil beispielsweise andere Mitschüler in der Berufsschule nach dem Unterricht nicht mehr in ihrem Betrieb vorbeikommen müssen, kann es trotzdem möglich sein, dass Sie in Ihrem speziellen Fall rechtlich verpflichtet sind, nach der Berufsschule noch in den Betrieb zu gehen.
Gleiches gilt für die typischen Streitthemen, die in der Ausbildung so auftreten. Seien es die Pausenzeiten in der Ausbildung, das Smartphone am Arbeitsplatz, oder die private Nutzung des Internets in der Ausbildung.
Wichtig ist, dass Sie Ihre individuelle Situation dabei nicht etwa mit der Situation von anderen Azubis aus anderen Betrieben vergleichen, sondern stets den Abgleich mit dem aktuellen Gesetzestext suchen. Nur weil es anderswo nämlich deutlich lockerer zugeht und bei der Zigarettenpause ebenso das Auge zugedrückt wird wie beim Abrufen der privaten Mails beim Morgenkaffee, heißt das noch lange nicht, dass Sie darauf ein grundsätzliches Anrecht haben.
Gespräche suchen und/oder externe Unterstützung einholen
Wenn Sie sich informiert haben und feststellen konnten, dass das Verhalten des Ausbildungsbetriebs im Allgemeinen oder des Ausbilders im Besonderen nicht mit geltendem Recht einhergeht, dann sollten Sie unbedingt tätig werden. Schließlich gibt es Pflichten als Ausbildungsbetrieb, auf die Sie als Azubi bestehen können.
Dazu gehört es beispielsweise, streng den Ausbildungsrahmenplan einzuhalten und die Azubis keine Tätigkeiten ausführen zu lassen, die nicht mit diesem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie herausgegebenen Plan einhergehen. Wer also regelmäßig Dinge erledigen muss, die nicht im Ausbildungsrahmenplan enthalten sind, der hat alles Recht der Welt, sich entsprechend zu beschweren.
Wichtig ist dabei aber, dass im ersten Schritt der Ton die Musik macht. Vielleicht weiß der Arbeitgeber nicht, dass bestimmte Dinge nicht in das Aufgabengebiet von Azubis fallen. Vielleicht sieht der Ausbildungsbetrieb viele Dinge aber allgemein recht locker und beharrt weder auf den eigenen Rechten, indem beispielsweise gewisse Vorzüge auch für Azubis herrschen, während eben in Form von ausbildungsfernen Aufgaben auch umgekehrt eine gewisse Lockerheit eingefordert wird.
Nicht, dass wir uns in diesem Punkt falsch verstehen: Selbstverständlich ist es absolut nicht in Ordnung, Azubis ausbildungsferne Aufgaben zu übertragen. Erst recht nicht, wenn es sich dann auch noch um Arbeiten wie Kaffeekochen oder gar Reinigungsaufgaben handelt. Aber: Wer eben nicht um eine Lösung bemüht ist, sondern sofort zur Anzeige bei einer übergeordneten Instanz greift, der muss natürlich damit rechnen, dass das sehr große Wellen schlägt.
Optimalerweise sollten Sie daher, wenn Sie feststellen, dass ein Unrecht vorliegt, ein klärendes Gespräch suchen. Auch stehen Azubis eine Reihe von Beratungsstellen zur Verfügung, die ggf. mit ins Boot geholt werden könnten. Mit einer Interessenvertretung für Azubis befasst sich der verlinkte Beitrag sehr ausführlich.
Den Ausbilder anzeigen – sollte ich juristischen Beistand an der Seite haben?
Lässt sich das Problem nicht über Kommunikation lösen und kann auch eine Beratungsstelle schlichtend einwirken, kann der Azubi den Fall zur Anzeige bringen. Zu den wichtigsten Azubi Versicherungen gehört übrigens auch die Rechtsschutzversicherung, mit der Sie sich hierfür einen entsprechenden Anwalt suchen können.
Wer hingegen nicht sicher ist, im Recht zu sein, der sollte sich genau überlegen, ob ein Anwalt eingeschaltet wird. Schnell können hohe dreistellige oder sogar vierstellige Beträge alleine an anwaltlichem Honorar zusammenkommen. Zwar kann ein Azubi, der nicht über ein gewisses Mindesteinkommen verfügt, Anträge auf Beratungshilfe und ggf. sogar auf Prozesskostenhilfe stellen. Ohne diese Zuschüsse und ohne Rechtsschutzversicherung kann ein Mandat bei unklarem juristischen Fall allerdings schnell hohe Kosten nach sich ziehen.
Den Ausbilder anzeigen – aber wo?
Grundsätzlich kommt es darauf an, welche Verstöße vorliegen. Wenn der Ausbilder beispielsweise körperliche Gewalt anwendet oder den Azubi sexuell belästigt, ist beispielsweise die Polizei der richtige Ansprechpartner, um den Ausbilder anzuzeigen.
Liegen derweil Verstöße gegen Bestimmungen zur Arbeitssicherheit oder gegen das Arbeitszeitgesetz vor, kann der Azubi direkt beim Gewerbeaufsichtsamt den Ausbilder anzeigen. Für wiederum andere Fälle ist das Arbeitsgericht zuständig. Beispielsweise wenn der Azubi gegen eine Abmahnung vorgehen möchte, die in seinen Augen unrechtmäßig war. Auch ein bewusst schlechtes Ausbildungszeugnis, mit dem dem Azubi zum Abschluss noch eine vermeintliche Retourkutsche verpasst werden soll, lässt sich anfechten.
Ansprechpartner, um etwaige Zuständigkeiten zu besprechen, finden Azubis übrigens zumeist nicht nur an der Berufsschule in Form von Vertrauenslehrern. Auch bei der zuständigen IHK oder HWK stehen zumeist Mitarbeiter zur Verfügung, die ein Azubi ganz unverbindlich mit Sorgen und Probleme kontaktieren kann.
Fazit
In diesem Beitrag habe ich Ihnen gezeigt, weshalb ein Azubi den Ausbilder anzeigen wollen könnte. Ich bin außerdem auf die Wichtigkeit eingegangen, sich zunächst damit auseinanderzusetzen, was denn die entsprechenden Gesetzestexte und gesetzlichen Regelungen aussagen. Anschließend stand die Empfehlung, per Kommunikation nach einer direkten Lösung zu suchen. Hierzu ließe sich auch eine Azubi Interessenvertretung hinzuziehen. Verpuffen all diese Bemühungen, bleibt dem Azubi immer noch die Anzeige als Ultima Ratio.
Genau hierzu interessieren mich nun noch Ihre Meinungen und Ihre Erfahrungen. Gab es in Ihrem Betrieb schon einmal Azubis, die Ausbilder anzeigen wollten oder dies sogar getan haben? Wenn ja, wo und weswegen? Und was kam dabei raus? Umgekehrt interessiert mich aber auch, ob Azubis bereits konkrete Erfahrungen damit gemacht haben, den Ausbilder angezeigt zu haben. Sehr leicht können wir in großer Runde ganz ungezwungen darüber ins Gespräch kommen – beispielsweise in meiner Facebook-Community.
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Hier sind nicht nur zahlreiche Ausbilder und Vertreter von Ausbildungsbetrieben angemeldet, sondern auch viele Azubis. Gerne können Sie einen Beitrag an unserer Timeline eröffnen, sodass wir über dieses spannende Thema gemeinsam sprechen können. Ich freue mich auf Sie und bedanke mich für die Lektüre meines Blogbeitrags!