Das Vier-Ohren-Modell geht auf Friedemann Schulz von Thun zurück und ist ein wichtiges Modell der Kommunikationspsychologie. Hierin geht es um die Annahme, dass eine Nachricht mehrere Ebenen besitzt. Genauer gesagt vier. Und diese unterschiedlichen Ebenen führen dazu, dass mehrere Empfänger ein- und dieselbe Nachricht bisweilen völlig verschieden aufnehmen können.
Das ist insbesondere für Ausbilder sehr wichtig. Wer nämlich zu seinen Azubis spricht und eine klare Botschaft übermitteln möchte, der reagiert üblicherweise verärgert, wenn bestimmte Azubis die Botschaft missverstehen. Dabei kann es einfach nur sein, dass der Azubi die Nachricht einfach nur mit einem anderen Ohr aufgenommen hat. Das Vier-Ohren-Modell geht nämlich davon aus, dass jeder Mensch vier verschiedene Ohren hat, mit denen Nachrichten empfangen werden.
Und weil genau das eine der Hauptursachen dafür ist, dass es zu Missverständnissen zwischen Ausbildern und Azubis kommt, widmen wir dem bekannten Vier-Ohren-Modell im Kontext der betrieblichen Ausbildung heute einen eigenständigen Blogbeitrag.
Das Vier-Ohren-Modell – Definition & Erklärung – was ist das Vier-Ohren-Modell?
Das Vier-Ohren-Modell geht, wie eingangs erwähnt, auf Friedemann Schulz von Thun zurück und hört auch auf die Namen Vier-Seiten-Modell, Kommunikationsquadrat oder auch Nachrichtenquadrat. Die Grundannahme besteht darin, dass jede sprachliche Äußerung vier Ebenen besitzt.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Aspekt, dass eine Person, die eine sprachliche Äußerung von sich gibt, diese vier Ebenen gar nicht kennen muss. Wer beispielsweise eine reine Sachinformation übermitteln möchte, sprich als Ausbilder einen Azubi rein sachlich informieren möchte, der äußert sich hierbei unweigerlich auch immer auf den anderen drei Ebenen, obwohl er vielleicht nur die Sachebene im Kopf hatte.
Kritisch ist dabei, dass auch beim Empfänger alle vier Ebenen ankommen, es aber maßgeblich von Antennen des Empfängers abhängt, in welchem Ohr die Botschaft landet. Hört der Azubi die Nachricht des Ausbilders in erster Linie mit seinem Sachohr, ist alles in Ordnung, denn dann besteht wenig Raum für Missverständnisse. Hört der Azubi aber beispielsweise mit dem Beziehungs- oder Appellohr hin und klammert die Sachebene weitestgehend aus, sind Missverständnisse unvermeidlich, wie wir später mit einem Beispiel auch zeigen.
Das sind die vier Ebenen, von denen das Vier-Ohren-Modell ausgeht
Gemäß dem Vier-Ohren-Modell enthält jede Botschaft vier Ebenen:
- Die Sachebene
- Eine Selbstaussage
- Den Beziehungsaspekt
- Einen Appell
Die Sachebene beschreibt dabei die rein sachliche Information, die ein Ausbilder seinen Azubis übermitteln möchte. Es geht hierbei also in erster Linie um Fakten und Sachverhalte. Ein Azubi, der wiederum mit seinem Sachohr hinhört, prüft, ob das Gesagte für ihn überhaupt relevant ist, und wie es um den Wahrheitsgehalt der Äußerung bestellt ist.
Im Rahmen der Selbstaussage einer sprachlichen Äußerung gibt der Ausbilder – in der Regel unfreiwillig – Informationen über sich preis. Dies kann ein kurzer Einblick in das eigene Gefühlsleben sein, aber auch eine Meinung zum Thema, um das es geht. Ein Azubi, der mit dem Selbstaussageohr hinhört, fragt sich dementsprechend, was mit dem Ausbilder ist, bzw. wie seine Stimmung ist.
Der Beziehungsaspekt drückt derweil die Beziehung zwischen Sender und Empfänger der Botschaft aus. So lässt sich im Rahmen einer sprachlichen Äußerung eben immer auch durch Tonfall, Mimik oder Gestik eine gewisse Abneigung, Wertschätzung oder auch Missachtung transportieren. Auch dies kann einerseits gewollt sein, kann aber auch unbewusst geschehen. Ein Azubi, der mit dem Beziehungsohr hinhört, fragt sich dabei dementsprechend, was der Ausbilder von ihm hält und kann sich bei entsprechend wahrgenommenen Schwingungen respektiert, aber auch gedemütigt fühlen.
Last, but not least, schwingt bei jeder sprachlichen Äußerung auch ein Appell mit. Gemeint ist das, was der Ausbilder vom Azubi will. Dabei kann es sich auch um verdeckte Handlungsaufforderungen handeln. Ein Azubi, der in erster Linie sein Appellohr benutzt, wird sich deshalb stets fragen, wie er sich nun verhalten, bzw. was er jetzt machen soll.
Beispiele für missverständliche Kommunikation zwischen Ausbildern und Azubis
Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Ausbilder und ein Azubi treffen sich in der Kaffeeküche. Der Ausbilder sagt genervt „Man, ist das wieder dreckig hier.“
In dieser Botschaft könnten aus Sicht des Ausbilders nun die folgenden vier Ebenen stecken:
- Sachebene: Die Küche ist dreckig.
- Selbstaussage: Der Ausbilder hat gewisse Anforderungen in puncto Sauberkeit, die in dieser Küche nicht erfüllt sind.
- Beziehungsebene: Der Ausbilder wertschätzt den Azubis und sieht ihn auf Augenhöhe, was es ihm erlaubt, seinen Unmut über gewisse Bedingungen der Arbeitsstätte offen auszusprechen.
- Appellebene: Der Ausbilder möchte, dass der Azubi den Unmut bestätigt, indem er sich zustimmend äußert.
Problematisch ist, dass der Azubi bei den meisten Ebenen etwas völlig anderes verstehen könnte. Beispielsweise:
- Sachebene: Der Azubi prüft, ob er die Küche ebenfalls für unzureichend sauber erachtet.
- Selbstaussage: Der Ausbilder ist schlecht gelaunt, weil die Küche dreckig ist.
- Beziehungsebene: Der Ausbilder glaubt, dass der Zustand der Küche in das Aufgabengebiet des Azubis fällt, und äußert sich somit aus Sicht des Azubis abschätzig.
- Appellebene: Der Ausbilder will, dass der Azubi die Küche saubermacht.
Alleine schon in diesem ganz banalen Beispiel zeigt sich der Raum für zahlreiche Missverständnisse. Hört der Azubi mit dem Beziehungsohr hin, könnte er sich herabgewürdigt fühlen. Hört er wiederum mit dem Appellohr hin, könnte er die Küche putzen, obwohl das überhaupt nicht sein Aufgabengebiet ist.
Mit dem Wissen über das Vier-Ohren-Modell Missverständnisse in der Ausbildung vermeiden
Als Ausbilder ist es wichtig, ein Gespür dafür zu entwickeln, mit welchen Ohren die jeweiligen Azubis Botschaften überwiegend empfangen. Schließlich gibt es viele verschiedene Arten von Menschen. Menschen, die bei einem Satz wie „Ich bin durstig“ einfach nur eine Informationsübermittlung hören, Menschen, die sich daraufhin fragen, ob sie auch selbst durstig sind, und wiederum andere Menschen, die bei diesem Satz sofort aufspringen, um dem Sender ein Glas Wasser zu holen.
Weiß der Ausbilder aber, mit welchem der vier Ohren die Azubis primär hinhören, kann er durch gezielte Rückfragen sicherstellen, dass die eigentliche Handlungsaufforderung, bzw. die implizierte Botschaft auch wirklich ankommt – und zwar im korrekten Ohr.
Eben weil zur Kommunikation auch immer zwei Seiten gehören sollten, sind Rückmeldungen umso essenzieller, um Missverständnisse zu vermeiden. Und weil Azubis – erst recht, wenn sie durch eine missverstandene Botschaft verunsichert sind – selten von sich aus Rückmeldungen abgeben, sollten Ausbilder gezielt nachfragen. Beispielsweise, indem sie Handlungsanweisungen vom Azubi wiederholen lassen. Oder dem Azubi anderweitig Raum zu geben, nachzuhaken. Schließlich kommt es bei guter Kommunikation am Arbeitsplatz immer auch auf ein vertrauensvolles Klima an, in dem niemand sich davor scheuen muss, im Zweifelsfall lieber einmal zu oft nachzufragen als einmal zu selten.