Als Ausbilder müssen Sie mitunter auch unangenehme Themen ansprechen. Das bringt der Job nun einmal bisweilen mit sich.
Jeder Azubi kommt schließlich aus einem ganz anderen Hintergrund heraus. Für fast alle junge Menschen ist der Ausbildungsbetrieb zudem der erste Vollzeitjob im Leben. Während manch einer sich mit dem Übergang bemerkenswert leicht tut, brauchen andere hingegen vielleicht etwas Starthilfe.
Dabei können unangenehme Themen sehr verschiedenartig sein. Möglicherweise neigt einer Ihrer Azubis zu Mund- oder Körpergeruch, was nicht nur Sie selbst, sondern auch die Kollegen/-innen als störend empfinden. Vielleicht verhält sich der Azubi aber auch unangemessen. Oder aber der Mitarbeiter trägt seit Wochen die gleiche dreckige Kleidung.
Egal, um was es sich handelt: Sie müssen solche unangenehme Themen ansprechen. Umso wichtiger ist es, sich im Vorfeld eine Art Gesprächsleitfaden zurechtzulegen. Denn gerade Dinge, die das äußere Erscheinungsbild oder Auftreten des Azubis betreffen, sind nun einmal ausgesprochen sensibel – und müssen dementsprechend genau so auch behandelt werden.
Unangenehme Themen ansprechen: Ist das überhaupt notwendig?
Zur Vorüberlegung gehört natürlich auch die Fragestellung, ob Sie dieses Fass überhaupt aufmachen möchten. Möglicherweise kleidet sich der Azubi sehr schlicht, trägt des Öfteren kaputte, abgenutzte oder ausrangierte Kleidung. Aus dem einfachen Grund, dass er sich von seinem kleinen Azubi-Gehalt nichts Besseres leisten kann und aus einfachen Verhältnissen stammt.
Den Azubi hierauf anzusprechen, kann ausgesprochen beschämend für ihn sein. Kann er aus finanziellen Gründen zudem nichts daran ändern, bleibt der Nutzen eines Gesprächs, in dem sein Kleidungsstil kritisiert wird, fraglich.
Auch gibt es Menschen, die von Natur aus zu starkem Mundgeruch neigen, obwohl sie keineswegs die morgendliche Zahn- und Mundpflege vernachlässigen. Vielleicht sind sie auch auf etwaige Tabletten angewiesen, die diesen Mundgeruch fördern.
Riecht der Azubi hingegen regelmäßig stark nach Schweiß, sodass die gesamte Belegschaft das dringende Bedürfnis hat, auch im Winter ständig die Fenster aufzureißen, wenn er den Raum betritt, überwiegt hingegen klar der Nutzen eines Vier-Augen-Gesprächs.
Unangenehme Themen ansprechen: Versuchen Sie einen Perspektivwechsel
Um für sich selbst die Frage zu beantworten, ob Sie beim Azubi unangenehme Themen ansprechen sollten oder nicht, ist auch ein Perspektivwechsel sehr ratsam. Versuchen Sie, sich in den Azubi direkt hineinzuversetzen.
Stellen Sie sich vor, dass Sie selbst dieses unangenehm Problem haben, über das Sie gerne mit dem Azubi reden würden. Stellen Sie sich dann vor, Sie wüssten selbst nicht, dass Sie dieses Problem haben. Versuchen Sie anschließend, sich hineinzuversetzen, wie es ist, ein grundlegendes Gefühl zu haben, dass die anderen Azubis, bzw. Kollegen merkwürdig reagieren, sobald Sie kommen. Und stellen Sie sich dann die Frage, ob Sie gerne wissen würden, was los ist.
Ebenfalls wichtig ist bei diesem Perspektivwechsel aber natürlich auch die bereits aufgeworfene Frage, ob Sie glauben, dass es mögliche Lösungen für dieses Problem gibt, die der Azubi ausprobieren könnte.
In der Ausbildung beim Azubi unangenehme Themen ansprechen: So geht’s
Wenn Sie nach dem Perspektivwechsel zu dem Schluss kommen, dass ein Gespräch nötig, bzw. geradezu alternativlos ist, dann sollten Sie noch etwas länger in der Azubi-Perspektive verharren und sich eine weitere ganz zentrale Frage stellen:
Wie würde ich mir wünschen, dass mein Ausbilder dieses Problem bei mir anspricht?
An dieser Stelle habe ich außerdem einen gleichermaßen wichtigen wie auch entlastenden Tipp für Sie! Sie könnten zu dem Ergebnis kommen, dass es dem Azubi unfassbar peinlich wäre, wenn ausgerechnet der Ausbilder das Gespräch mit ihm führt. Einfach, weil der Ausbilder gleichermaßen Respektsperson, Ansprechpartner Nummer eins und nicht selten auch engster Vertrauter des Azubis im Betrieb ist. Umso peinlicher oder verletzender könnte das Gespräch für ihn sein.
Wenn Sie genau das spüren und wahrnehmen, sollten Sie auf dieses Gefühl auch hören. Nicht zwangsläufig müssen Sie das Gespräch mit dem Azubi nämlich selbst führen. In vielen Fällen kann es weitaus sinnvoller sein, wenn ein anderer Azubi, der einen besonders guten Draht zu dem Betroffenen hat, das Problem in einer vertraulichen Runde thematisiert und zur Sprache bringt.
Alternativ kann vielleicht auch eine gänzlich neutrale Person, beispielsweise aus der Personalabteilung, mit der Gesprächsführung beauftragt werden. Gerade wenn es sich um Themen wie Hygiene handelt oder um Themen rund um den menschlichen Körper geht, ist es oftmals einfacher für Betroffene, wenn eine gleichgeschlechtliche Person sie darauf anspricht.
7 Tipps, um unangenehme Themen in der Ausbildung anzusprechen
Zusätzlich zu dem bisher Geschriebenen habe ich abschließend noch sieben weitere Tipps für Sie gesammelt. Diese helfen Ihnen dabei, dass das Gespräch möglichst wertschätzend, sensibel und respektvoll abläuft.
- Vier-Augen-Gespräch: Sprechen Sie mit dem Azubi über unangenehme Themen immer und ausschließlich unter vier Augen und niemals vor Kollegen/-innen!
- Nicht aufschieben: Wenn klar ist, dass das Gespräch nötig ist, sollten Sie es stets zeitnah führen! Oft weiß der Azubi gar nicht, was das Problem ist. Umso fairer ist es, ihm so rasch wie möglich die Chance zu geben, daran zu arbeiten.
- Zeit nehmen: Wichtig ist außerdem, dass Sie den Azubi nicht etwa zwischen Tür und Angel mit dem Problem konfrontieren. Bitten Sie ihn in einem Moment zu einem persönlichen Gespräch, wenn klar ist, dass beide Seiten etwas Zeit haben.
- In der ersten Person Singular sprechen: Sagen Sie dem Azubi, dass es sich um Ihre persönlichen Beobachtungen handelt, indem Sie die erste Person Singular („ich“) verwenden. Ein „Wir“ oder gar Sätze wie „Mehrere Mitarbeiter finden, dass…“ drängen den Azubi in eine Außenseiter-Rolle und lassen den Rückschluss zu, dass er und sein Problem schon mindestens ein Mal zum öffentlichen Thema wurden, wenn er nicht anwesend war. Das kann das Vertrauen nachhaltig beschädigen.
- Die eigene Involviertheit zeigen: Melden Sie dem Azubi gleich zu Beginn zurück, dass Ihnen das Gespräch auch unangenehm ist, falls das der Fall ist. Ein Einstieg wie „Es fällt mir nicht leicht, dieses Gespräch zu führen, aber …“ kann für beide Seiten sehr entlastend sein.
- Dem Azubi Zeit geben: Pochen Sie nicht darauf, dass der Azubi sofort Stellung bezieht. Möglicherweise fällt er aus allen Wolken, ist traurig oder verletzt. Seien Sie empathisch. Versichern Sie ihm, dass alles halb so wild ist. Sie können ihm außerdem vorsichtige Ratschläge geben, die Sie aber ebenfalls als Ich-Botschaft formulieren sollten. Also im Stil von „Ich würde vielleicht xyz ausprobieren.“ anstelle von „Du solltest mal xyz versuchen.“
- Folgegespräch anbieten: Beenden Sie das Vier-Augen-Gespräch mit dem Angebot, sich in einigen Wochen noch einmal mit dem Azubi zusammenzusetzen. Vielleicht um zu besprechen, wie er mit etwas mehr Abstand darüber denkt. Oder aber um ihm Rückmeldung geben zu können, ob sich das unangenehme Thema zum Positiven gebessert hat.
Fazit
In meinem heutigen Blogbeitrag habe ich Ihnen gezeigt, wie Sie unangenehme Themen in der Ausbildung ansprechen können. Im ersten Schritt ist dabei immer die Frage wichtig, wie unangenehm das Problem wirklich ist und ob es Möglichkeiten zur Verbesserung gäbe. Ein Perspektivwechsel hilft Ihnen anschließend dabei, herauszufinden, auf welche Weise dieses Problem sich am besten ansprechen ließe. Die sieben Tipps bieten außerdem eine Hilfestellung für den eigentliche Gesprächsverlauf.
Natürlich gibt es auch andere Arten von Problemen, bei denen eine völlig andere Herangehensweise angezeigt ist. Beispielsweise, wenn der Azubi am Ausbilder zweifelt und aufbegehrt. Kommt es gar zu richtig unerwünschtem Verhalten, können auch Sanktionen gegen den Azubi erforderlich sein. Genau das ist aber natürlich nicht mit solchen unangenehmen Themen wie Körpergeruch zu verwechseln.
Nun interessieren mich Ihre Erfahrungen! Mussten Sie schon einmal einen Azubi auf ein richtig unangenehmes Thema ansprechen? Wenn ja, wie verlief das Gespräch? Hat es was gebracht? Was würden Sie im Nachhinein betrachtet heute anders machen? Oder würden Sie das Gespräch genau so wieder führen?
Eine gute Gelegenheit, diese Fragen zu beantworten, gibt es auf meiner Facebook-Unternehmensseite, wo Sie mit vielen weiteren Ausbildern und Azubis diskutieren können. Ich freue mich, wenn Sie Teil der Community von Ausbilderschein24 werden und bedanke mich fürs Lesen!